Gicht – Explodierende Immunzellen stellen die Entzündung ab

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Neutrophile extrazelluläre Fallen (NETs) bilden Aggregate, die in zum Abklingen der Entzündung beitragen. ©Medizin 3, Uniklinik Erlangen

Wissenschaftliche Innovation:

Mit einem raffinierten Trick ist der menschliche Körper in der Lage, sich selbst von Entzündungen zu befreien. Die Arbeitsgruppe um Prof. Herrmann beobachtete, wie Immunzellen bei der Abwehr von Gichtkristallen sich selbst zum Explodieren brachten, um aus den Bruchstücken dichte Netze um den Entzündungsherd zu legen und diesen so einzudämmen.

In Laboruntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass eine Gruppe von Abwehrzellen – die sogenannten neutrophilen Granulozyten – eine Schlüsselrolle bei der Minderung der Entzündungsreaktion bei Gicht spielt. Es wurde beobachtet, dass diese Zellen förmlich explodieren, wenn sie an den Entzündungsherd gelangen. Dabei bilden Zellbestandteile, z.B. die Erbsubstanz DNS (Desoxyribonukleinsäure) und Eiweiße dichte Netze um den Entzündungsherd. Je stärker die Abwehrreaktion und je mehr Granulozyten die Entzündung bekämpfen, desto dichter und komplexer werden diese Netze. Infolge verfangen sich auch Botenstoffe der Entzündung dort und werden deaktiviert . Die Netze verklumpen und werden zu Gichtknoten.

Weiter konnte nachgewiesen werden, dass Patienten, die aufgrund von genetischen Veränderungen diese Netze nicht ausbilden, an chronischen Entzündungen im betroffenen Gewebe leiden, weil sich Entzündungsstoffe ungehemmt ausbreiten können. Diese Erkenntnisse lassen auf neue Therapieansätze hoffen. Es ist davon auszugehen, dass das Immunsystem nicht nur bei Gicht Entzündungen auf diese Weise dämpft, sondern auch bei anderen Krankheiten, bei denen neutrophile Granulozyten ein Rolle spielen, wie z.B. bei der zystischen Fibrose, einer schweren Lungenerkrankung junger Menschen oder beim systemischen Lupus erythematosus, einer Autoimmunerkrankung die vorwiegend junge Frauen betrifft.

Hintergrund:
Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit, bei der sich Harnsäure im Körper an-sammelt und in Form von winzigen nadelspitzen Kristallen in Gelenken und im Gewebe ablagert.

Im Krankheitsverlauf kommt es häufig zusätzlich zur Schädigung der Nieren, die letztlich zur Niereninsuffizient führen kann. Das Immunsystem versucht, diese Kristalle zu bekämpfen. Die Folge: Eine heftige Schmerz-Attacke. Doch interessanterweise klingt ein Gichtanfall nach ein paar Tagen auch unbehandelt wieder ab, obwohl sich die Harnsäurekristalle nach wie vor im Gewebe sind. Wie es zu dieser Selbstheilung kommt, war bisher nicht bekannt und konnte nun aufgeklärt werden.

 

Publikation: Schauer C, Janko C, Munoz LE, Zhao Y, Kienhöfer D, Frey B, Lell M, Manger B, Rech J, Naschberger E, Holmdahl R, Krenn V, Harrer T, Jeremic I, Bilyy R, Schett G, Hoffmann M, Herrmann M. Aggregated neutrophil extracellular traps limit inflammation by degrading cytokines and chemokines. Nature Medicine. 2014 May;20(5):511-7.